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Erbschein und Erbscheinsverfahren – Hintergründe, Informationen und Tipps

Wenn ein Mensch verstirbt, sind dessen Erben seine Rechtsnachfolger. Um sich auch offiziell als Erben ausweisen zu können, ist in der Regel die Beantragung eines Erbscheins notwendig, weil dieser den Rechtsverkehr erheblich erleichtert.

Wir informieren Sie in diesem Beitrag über alles Wichtige zum Thema Erbschein und Erbscheinsverfahren, den Antrag und die anfallenden Kosten.

Erbschein & Erbscheinsverfahren - Das Wichtigste in 30 Sekunden

  • Ein Erbschein wird auf Antrag vom Nachlassgericht erteilt.
  • Mit einem Erbschein kann sich ein Erbe sich als Erbe ausweisen und über den Nachlass verfügen.
  • Die Gebühr für die Erteilung eines Erbscheins richtet sich nach dem Nachlasswert.
  • In manchen Fällen ist für die gerichtliche Feststellung des Erbrechts eine Erbenfeststellungsklage erforderlich.

1. Was ist ein Erbschein?

Ein Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das das Recht eines Erben an einer Erbschaft ausweist und auf dem der Umfang des Erbteils vermerkt ist (§ 2353 BGB). Je nach Erbenkonstellation ergeben sich verschiedene Erbscheinsarten:

  • Gemeinschaftlicher Erbschein: Der gemeinschaftliche Erbschein enthält Angaben zu dem Erbrecht aller Erben einer Erbengemeinschaft. Er kann auch von einem einzelnen Miterben beantragt werden.
  • Alleinerbschein: Der Alleinerbschein wird ausgestellt, wenn es nur einen Erben gibt, dem ein gesamter Nachlass zufällt.
  • Teilerbschein: Innerhalb einer Erbengemeinschaft kann sich jeder Erbe einen sogenannten Teilerbschein ausstellen lassen, auf dem dann nur dessen Erbteil vermerkt ist.

Expertentipp von Benno von Braunbehrens, LL.M., Fachanwalt für Erbrecht in München

Es gibt keine Pflicht, einen Erbschein zu beantragen. Wenn Erben allerdings Behördengänge für den Verstorbenen erledigen müssen, Grundbuchänderungen vornehmen oder über dessen Konten verfügen möchten, ist die Vorlage eines Erbscheins meist zwingend erforderlich. Es sei denn, es lag schon zu Lebzeiten des Verstorbenen eine Vollmacht vor, die über den Tod hinaus gültig ist.

2. Welchen Zweck hat ein Erbschein?

Mit einem Erbschein können sich Erben offiziell als solche ausweisen und über die Erbschaft verfügen. Der Erbschein schützt somit den Rechtsverkehr: Gemäß § 2365 BGB wird nämlich vermutet, dass den Personen, die im Erbschein als Erbe bezeichnet sind, das Erbrecht auch tatsächlich zusteht und dass andere als dort angegebene Beschränkungen nicht bestehen. Dritte Personen können also darauf vertrauen, dass der Inhalt des Erbscheins richtig ist.

3. Was ist ein Erbscheinsverfahren?

Gesetzlich geregelt ist das Erbscheinsverfahren in den §§ 2353 ff. BGB in Verbindung mit §§ 352 ff FamFG. Als Erbscheinsverfahren bezeichnet man die Beantragung des Erbscheins bis zu dessen Ausstellung. Der Erbschein wird also nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag erteilt. Dabei ist das Erbscheinsverfahren eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Nachlassgericht entscheidet per Beschluss, dem Antrag stattzugeben oder ihn abzulehnen.

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Nicht immer gelingt es, das eigene Erbrecht mit der Beantragung eines Erbscheins gerichtlich feststellen zu lassen. In schwierigen Fällen kann es erforderlich sein, beim Zivilgericht eine Erbenfeststellungsklage zu erheben, die bei einem Gegenstandswert von mehr als 5.000 Euro sogar beim Landgericht einzureichen ist.

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4. Wer darf einen Erbschein beantragen?

Jeder Alleinerbe, Miterbe oder Vorerbe, der durch die gesetzliche Erbfolge oder ein Testament bzw. Erbvertrag als Erbe bestimmt ist, darf einen Erbschein beantragen. Außerdem sind Testamentsvollstrecker, Nachlass- und Nachlassinsolvenzverwalter und Nachlassgläubiger antragsberechtigt. Vermächtnisnehmer und enterbte Pflichtteilsberechtigte können dagegen keinen Erbschein beantragen.

Nacherben sind erst dann zur Beantragung eines Erbscheins berechtigt, wenn der Nacherbfall eingetreten ist.

Lesen Sie hier mehr zur Pflichtteil Höhe und Berechnung

5. Wo wird ein Erbschein beantragt?

Der Antrag für einen Erbschein muss beim Nachlassgericht (Amtsgericht) gestellt werden. Zuständig ist dabei immer das Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.

6. Welche Unterlagen und Angaben braucht man für den Erbscheinsantrag?

Um einen Erbschein zu beantragen, benötigt man im Falle einer testamentarischen Erbfolge zunächst einmal die letztwillige Verfügung, die einen als Erben ausweist. Zusätzlich muss der testamentarisch eingesetzte Erbe die Verwandten benennen, die als gesetzliche Erben durch das Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden oder bereits vorverstorben sind. Außerdem muss eine wahrheitsgemäße Angabe darüber gemacht werden, ob bei Gericht ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist.

Kommt die gesetzliche Erbfolge zum Tragen, muss der Erbe sein verwandtschaftliches Verhältnis zum Erblasser bzw. die Ehegattenschließung einschließlich Güterstand, aus dem sich das gesetzliche Erbrecht ergibt, schlüssig darlegen.

Folgende Unterlagen sind außerdem für den Erbscheinsantrag vorzulegen:

  • eidesstattliche Versicherung, dass die Angaben im Erbscheinsantrag der Wahrheit entsprechen (kann vor einem Notar oder dem Nachlassgericht in der notwendigen öffentlichen Form abgegeben werden),
  • Sterbeurkunde des Erblassers,
  • sämtliche Geburts- und Abstammungsurkunden, die die Verwandtschaft des Erben mit dem Erblasser nachweisen,
  • Heiratsurkunde bei Ehegatten,
  • die Sterbeurkunden von Personen, die als (Mit-)Erben in Betracht gekommen wären, wenn sie den Erbfall erlebt hätten, und
  • für den Fall, dass der Erblasser rechtskräftig geschieden wurde das Scheidungsurteil, der Scheidungsantrag (falls der Erblasser vor seinem Tod bei Gericht die Scheidung eingereicht hat). Diese Urkunden erhält man gegen geringe Gebühren bei den Standesämtern.

Das Wichtigste zur gesetzlichen Erbfolge

Expertentipp von Benno von Braunbehrens, LL.M., Fachanwalt für Erbrecht in München

Wenn nach der Erteilung eines Erbscheins durch das Nachlassgericht ein neues Testament gefunden wird und sich dadurch die Erbfolge ändert, wird der Erbschein durch das Nachlassgericht eingezogen. Er ist also ein jederzeit widerlegbares Zeugnis für das Erbrecht der darin ausgewiesenen Personen. Gibt der Inhaber den Erbschein nicht heraus, kann das Nachlassgericht ihn per Beschluss für kraftlos erklären. Wer mit einem ungültigen Erbschein über den Nachlass verfügt, macht sich strafbar und muss Regressforderungen rechnen.


7. Welche Kosten kommen für einen Erbscheinsantrag auf einen zu?

Im Zuge der Erteilung eines Erbscheins entsteht sowohl eine Gebühr für die nötige eidesstattliche Versicherung als auch für die Erteilung des Erbscheins selbst. Wie hoch diese Gebühr ausfällt, ist vom Wert des Nachlasses. Sollte der Wert des Nachlasses bei der Erteilung des Erbscheins noch nicht bekannt sein, kann eine entsprechende Erklärung später beim Nachlassgericht nachgereicht werden.

8. Risiken und Folgen des Erbscheinantrags

Wenn Sie einen Erbschein beantragen, müssen Sie unbedingt darauf achten, dass alle Angaben im Erbschein der Wahrheit entsprechen. Ebenso sind Sie verpflichtet, auch letztwillige Verfügungen abzugeben, die noch im Nachhinein gefunden werden. Halten Sie letztwillige Verfügungen zurück oder legen gefälschte Dokumente vor, müssen Sie mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Doch das sind noch nicht alle Risiken, die mit der Beantragung eines Erbscheins verbunden sind. Werden beispielsweise nachträglich neuere Testamente oder andere postmortale Vollmachten gefunden, kann Ihr bereits ausgestellter Erbschein für ungültig erklärt werden.

In der Praxis kommt es immer nur vor, kommt das vor, dass Personen die Echtheit eines Testaments anzweifeln. Nicht selten kommt es dann zu langen Rechtsstreitigkeiten, während derer es Ihnen nicht erlaubt ist, über den Nachlass zu verfügen.

Wichtig zu beachten ist auch, dass Sie mit Stellung des Erbscheinantrags die Erbschaft angenommen haben und damit auch für etwaige Schulden des Erblassers haften. Der Gesetzgeber stellt aber einige Möglichkeiten zur Verfügung, wie Sie Ihr privates Vermögen vor dem Zugriff von Nachlassgläubigern schützen.

9. Was hat es mit dem Europäischen Erbschein auf sich?

Der Europäische Erbschein, auch EU-Nachlasszeugnis, EU-Erbschein oder kurz ENZ genannt, kommt bei grenzüberschreitenden Erbfällen innerhalb der EU ins Spiel. Mit dem ENZ ist es Erben möglich, ihre Erbenstellung auch im Ausland nachzuweisen, ohne in jedem Staat, in dem Nachlasswerte vorhanden sind, einen separaten Erbschein anzufordern.

Ein EU-Nachlasszeugnis ist immer sechs Monate gültig. Die Kosten für den Europäischen Erbschein richten sich gemäß § 40 GNotKG nach dem Nachlasswert.