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Gestaltungsratschläge zum Ehegattentestament

Das Berliner Testament - Expertentipps zur Fehlervermeidung (Teil 3)

Erbrechtsexperte Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München erklärt in diesem Beitrag, welche Möglichkeiten bestehen, bei einem Berliner Testament, die Pflichtteilshaftung des längerlebenden Ehegatten gegenüber den Kindern zu reduzieren.

Begrenzung des Pflichtteilsrisikos beim Berliner Testament

Die wechselseitige Alleinerbeneinsetzung der Eheleute für den ersten Erbfall führt zwar zu einer umfassenden wirtschaftlichen Absicherung des Witwers bzw. der Witwe, führt aber auch dazu, dass deren Kinder im ersten Erbfall zunächst keinen Nachlass erhalten und auf den Eintritt der Schlusserbfolge warten müssen: Die Alleinerbeneinsetzung des längerlebenden Ehegatten führt faktisch zu einer Enterbung der Kinder im ersten Erbfall, auch wenn dies gar nicht vorrangiges Ziel der Eheleute war.

Die Rechtslage ist dann so, dass die im ersten Erbfall enterbten Kinder grundsätzlich das Recht haben, Pflichtteilsrechte gegenüber dem Witwer bzw. der Witwe geltend zu machen. Nicht immer gedulden sich die enterbten Kinder bis zum Eintritt des zweiten Erbfalls, da eigene wirtschaftliche Interessen (z.B. Hausbau, Arbeitslosigkeit, Scheidung) im Vordergrund stehen können.

Dieser Anspruch ist eine Geldforderung und ermittelt sich einerseits aus der Pflichtteilsquote des Kindes und andererseits aus dem Nettonachlass des erstversterbenden Ehegatten. Die Pflichtteilsquote wiederum hängt davon ab, in welchem ehelichen Güterstand (also Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) die Eltern bei Eintritt des ersten Erbfalls lebten und wie viele Kinder der Verstorbene hinterlassen hat. Einzelheiten zur Pflichtteilsquote finden Sie hier.

Lebten etwa die Eltern im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit zwei Kindern, so beträgt die Pflichtteilsquote eines jeden Kindes im ersten Erbfall 1/8. Seine Witwe muss deshalb an jedes Kind einen Pflichtteil in Höhe von € 50.000,00 auszahlen. Wenn die Kinder ihren Pflichtteil einfordern, so stellt die Pflichtteilshaftung der Witwe in Höhe von insgesamt € 100.000,00 ein erhebliches Liquiditätsproblem dann dar, wenn der Nachlass des Verstorbenen überwiegend aus einer Immobilie besteht.

Expertentipp:

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München, weiß aber, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, die Pflichtteilshaftung des längerlebenden Ehegatten bei einem Berliner Testament zu begrenzen oder sogar ganz auszuschließen. Er empfiehlt hierzu die Möglichkeiten eines Pflichtteilsverzichts, einer Pflichtteilsanrechnungsklausel, einer Pflichtteilsstrafklausel oder die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft zu prüfen.

Pflichtteilsverzicht

Zwischen den Eltern einerseits und den Kindern andererseits sollte die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts, der einer notariellen Beurkundung bedarf, besprochen werden. Durch einen derartigen Verzicht verlieren die Kinder vollständig ihre Pflichtteilsrechte. Die Praxis zeigt aber, dass pflichtteilsberechtigte Personen oftmals nur gegen Zahlung einer entsprechenden Abfindung bereit sind, einen notariellen Pflichtteilsverzicht zu erklären. Allerdings kann die Zahlung einer „angemessenen“ Entschädigung für die Erklärung des Pflichtteilsverzichts wirtschaftlich vernünftiger sein, als die – zwangsweise durchsetzbare – Erfüllung von hohen Pflichtteilsforderungen nach dem ersten Erbfall.

Pflichtteilsstrafklausel

Sind die Kinder – oft aus nachvollziehbaren Gründen – nicht bereit, vollständig auf ihre Pflichtteilsrechte zu verzichten, so können die testierenden Eltern eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel in ihr Ehegattentestament aufnehmen. Hierin wird festgelegt, dass dasjenige Kind, das nach dem ersten Erbfall gegen den Willen der Witwe bzw. des Witwers den Pflichtteil einfordert, in der Form bestraft wird, dass es auch für den Eintritt der Schlusserbfolge enterbt wird. Folge einer derartigen Klausel ist es also, dass dasjenige Kind, das auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs verzichtet, im Schlusserbfall erheblich begünstigt wird.

Die „Abschreckungswirkung“ einer derartigen Pflichtteilsstrafklausel soll die Witwe bzw. den Witwer davor schützen, Teile des erwirtschafteten ehelichen Vermögens zur Begleichung der Pflichtteilsschuld veräußern zu müssen.

Expertentipp:

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München, weist aber darauf hin, dass die korrekt juristische Formulierung einer Pflichtteilsstrafklausel relativ komplex ist und von einem juristischen Laien alleine nicht bewerkstelligt werden kann. Also unbedarfte, schlicht formulierte Klauseln können am gewünschten Ziel vorbeigehen.

Pflichtteilsanrechnungsklausel

Ergänzend zu einer Pflichtteilsstrafklausel sind sogenannte Pflichtteilsanrechnungsklauseln ein probates Mittel zur Reduzierung des Pflichtteilsrisikos. Diese Klausel sind aber nicht Bestandteil eines Testamentes, sondern müssen Eingang finden in Schenkungsvereinbarungen und Übergabeverträgen. Dort ist nämlich zu regeln, dass eine Zuwendung des Erblassers zu Lebzeiten auf den späteren Pflichtteilsanspruch des Kindes anzurechnen ist. Ohne eine derartige Anrechnungsklausel bleiben nämlich lebzeitige Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs von Kindern ohne Ansatz. Dies wird von vielen Eltern, die – zu Lebzeiten immer wieder in großzügiger Weise – Zuwendungen an ihre Kinder vornehmen, regelmäßig verkannt.

Expertentipp:

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München, rät anlässlich der Gestaltung eines Ehegattentestamentes zu überprüfen, ob frühere Schenkungen mit einer sogenannten Pflichtteilsanrechnungsklausel ausgestattet waren. Sollte dies – aus Unkenntnis der Rechtslage – übersehen worden sein, so kann dies nur in notarieller Form nachgeholt werden. Erbrechtsexperte Klinger weist seine Mandanten nachhaltig darauf hin, dass sämtliche Zuwendungen an Kinder nach Errichtung eines Ehegattentestamentes immer mit einer perfekt formulierten Pflichtteilsanrechnungsklausel versehen sein müssen, um die potentielle spätere Pflichtteilshaftung des Witwers oder der Witwe reduzieren zu können.



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