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Ausschlussfrist beim Pflichtteilergänzungsanspruch

Pflichtteil aus Schenkungen des Erblassers

Die Bestimmung des § 2325 BGB schützt den Pflichtteilsberechtigten dagegen, dass sein ordentlicher Pflichtteil (§ 2303 BGB) durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers umgangen wird. Ziel dieser Norm ist es – so Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht aus München – „Schleichwege am Erbrecht vorbei“ zu verhindern. Hierzu gibt der Gesetzgeber dem Pflichtteilsberechtigten einen Ergänzungsanspruch gegen den Erben, ersatzweise gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB), der allerdings zeitlich begrenzt ist.

Pflichtteil aus Schenkungen des Verstorbenen

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch setzt eine Schenkung des Erblassers voraus, wobei auch sogenannte gemischte Schenkungen hinsichtlich ihres Schenkungsanteils erfasst werden. Lediglich Anstands- und Pflichtschenkungen werden gem. § 2330 BGB ausgenommen. Auch Lebensversicherungen mit einem widerruflichen Bezugsrecht führen zu einer Ergänzung des Pflichtteils. Der BGH hat zuletzt (NJW 2010, 3232) entschieden, dass hierbei der Rückkaufswert der Lebensversicherung anzusetzen ist, es sei denn, im Einzelfall ergibt sich ein höherer Veräußerungswert.

Beweislast liegt bei Pflichtteilsberechtigtem

Im Streitfall muss der Pflichtteilsberechtigte darlegen und beweisen, dass es sich bei der Übertragung des Erblassers um eine (zumindest gemischte) Schenkung handelt. Die Rechtsprechung billigt dem Pflichtteilsberechtigten aber eine gewisse Beweislasterleichterung zu: Bei einem auffallend groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wird vermutet, dass teilweise eine Schenkung des Erblassers vorliegt.

Zeitliche Begrenzung des Pflichtteilsergänzungsanspruches

Nach der Bestimmung des § 2325 Abs. 3 BGB sind nur diejenigen Schenkungen des Erblassers ergänzungspflichtig, die er in seinen letzten zehn Lebensjahren vorgenommen hat. Nutzungs- und Mitspracherechte des schenkenden Erblassers können diese Frist aber erheblich verlängern.

Beginn der 10-Jahres-Frist

Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1988, 821) muss für den Beginn der Ausschlussfrist nicht nur die Leistungshandlung (dies wäre bei einer Grundstücksschenkung z.B. die beurkundete Auflassungserklärung), sondern der Leistungserfolg eintreten. Bei Grundstücksschenkungen beginnt deshalb die Frist erst mit der Umschreibung der Übereignung im Grundbuch, nicht also schon mit Abschluss des notariellen Schenkungsvertrages.

Fristbeginn bei Ehegattenschenkungen

Eine Sonderregelung besteht in § 2325 Abs. 3 BGB für eine Schenkung des Erblassers an seinen Ehegatten: Hier beginnt die 10-Jahres-Frist nicht vor Auflösung der Ehe (z.B. durch Scheidung) zu laufen. Wird also die ehe erst durch den Tod des Erblassers beendet, sind sämtliche während der gesamten Ehezeit vom Erblasser an seinen überlebenden Ehegatten gemachten Schenkungen ergänzungspflichtig, mögen diese auch Jahrzehnte zurückliegen.

Fallgruppen zum Fristbeginn

Der BGH (NJW 1987, 122) hat die 10-Jahres-Frist dahingehend erweitert, dass auch diejenigen Schenkungen ergänzungspflichtig sind, die noch nicht endgültig aus der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt des Erblassers ausgegliedert wurden, weil der schenkende Erblasser den Gegenstand im Wesentlichen weiter selbst nutzt. Ein Fristbeginn liegt demnach nur dann vor, wenn der Erblasser auf den weiteren Genuss des Schenkungsgegenstandes verzichtet.

Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt

Bei Grundstücksschenkungen behält sich der schenkende Erblasser regelmäßig ein Nießbrauchsrecht vor, um die Immobilie selbst nutzen oder vermieten zu können. Während der Beschenkte formal im Grundbuch als Eigentümer eingetragen wird, bleibt der schenkende Erblasser unverändert wirtschaftlicher Eigentümer. Diese – in vielen Fällen gewollte – Absicherung des Schenkers hat aber nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1994, 1791) pflichtteilsrechtlich den Nachteil, dass es an einem sogenannten „Genussverzicht“ fehlt und deshalb die 10-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB erst dann zu laufen beginnt, wenn der schenkende Erblasser zu einem späteren Zeitpunkt auf den Nießbrauch verzichtet.

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht aus München stellt klar: Eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt verhindert den Fristbeginn und löst damit einen Pflichtteilsergänzungsanspruch aus. Zu beachten ist aber, dass bei der Berechnung des Wertes der Schenkung der vorbehaltene Nießbrauch einen Abzugsposten bilden kann.

Vorbehalt eines Quotennießbrauchs

Teilweise behält sich der schenkende Erblasser ein Nießbrauchsrecht nicht am gesamten Gegenstand vor, sondern begnügt sich mit einem Teilnutzungsrecht. die höchstrichterliche Rechtsprechung hat noch nicht entschieden, ob diese Gestaltung den Fristbeginn hindert. Richtig dürfte nach Ansicht von Erbrechtsexperten Klinger sein, dass kein Fristbeginn eintritt, sofern dem Schenker mehr als 50 % der Nutzungen verbleiben.

Vorbehalt eines Wohnrechts

Nicht immer behält sich der schenkende Erblasser ein Nießbrauchsrecht vor; teilweise begnügt er sich mit einem bloßen Wohnrecht, wenn er nicht die Absicht hat, den Schenkungsgegenstand zu vermieten.

Oft begnügt sich der schenkende Erblasser am Schenkungsobjekt mit einem nur anteiligen Wohnrecht. Überwiegend wird angenommen, dass in diesem Fall der Fristlauf dann gehemmt wird, wenn die dem Wohnungsrecht unterliegende Nutzfläche, verglichen mit der Restwohnfläche, überwiegt.

Rückerwerbsrechte des Schenkers

In vielen Übergabeverträgen finden sich Regelungen, wonach in gewissen näher definierten Situationen der Schenker den Gegenstand zurückfordern kann. Typischerweise wird dies bei einer Immobilienschenkung für den Fall vereinbart, dass der Beschenkte vor dem Schenker verstirbt, sich scheiden lässt, insolvent wird oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden oder den Schenkungsgegenstand ohne Zustimmung des Schenkers veräußert. Derartige Rückfallklauseln (auch Widerrufsklauseln genannt) räumen dem schenkenden Erblasser gewisse Einflussmöglichkeiten auf den Schenkungsgegenstand ein und begrenzen die wirtschaftliche Verfügungsfreiheit des Beschenkten.

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht aus München, weist daraufhin, dass bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob derartige Klauseln den Fristbeginn des § 2325 Abs. 3 BGB hemmen. Bis zu einer Klärung dieser Frage durch den BGH, muss sich sowohl der Schenker, als auch der Beschenkte bewusst sein, dass durch derartige Rückfallklauseln ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ausgelöst werden kann. Wenn der schenkende Erblasser also über den Zeitpunkt der Schenkung hinaus weiter „regieren“ will und sich den wesentlichen Einfluss auf den Gegenstand der Schenkung vorbehalten möchte, bürdet er dem späteren Erben das Risiko einer Pflichtteilsergänzungshaftung auf.

Verpflichtung zur Zahlung einer Leibrente

In manchen Übergabeverträgen wird vereinbart, dass statt eines Nießbrauchsvorbehalts dem Beschenkten die Zahlung einer Leibrente (z.B. die Höhe der mtl. Mieteinnahmen) auferlegt wird. In dieser Gestaltung wird in der Literatur überwiegend angenommen, dass sie für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB unschädlich ist. Auch wenn höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage noch nicht vorliegt, empfiehlt es sich für den schenkenden Erblasser keinen Nießbrauchsvorbehalt, sondern eine Leibrentenzahlungsverpflichtung in den Übergabevertrag aufzunehmen.

Expertentipp:

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München empfiehlt bei der Gestaltung von Schenkungs- und Übergabeverträgen genau zu prüfen, in welchem Umfang Nießbrauchs-, Wohn- und Rückerwerbsrechte vereinbart werden. Es gilt: „Wer zu viel beschwert, schenkt verkehrt.“ Der Wunsch des schenkenden Erblassers, über die Schenkung hinaus weiter regieren zu wollen, muss oft nach dem Erbfall vom Erben teuer in Form einer Pflichtteilsergänzungshaft bezahlt werden.



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