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Mindestbeteiligung am Nachlass durchsetzen

Erbteil des enterbten Ehegatten

Für den längerlebenden Ehegatten ist die Enttäuschung oft groß, wenn er nach dem Eintritt des Erbfalls feststellen muss, dass der verstorbene Ehegatte andere Personen (z.B. Kinder aus erster Ehe) oder Organisationen (z.B. eine Stiftung) testamentarisch bevorzugt hat. Der Witwer bzw. die Witwe kann entweder völlig enterbt oder mit einem kleineren Erbteil oder geringen Vermächtnis „abgespeist“ worden sein.

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München erläutert in diesem Beitrag, welche Mindestbeteiligung dem enterbten Ehegatten am Nachlass zusteht und wie dieser taktisch richtig vorzugehen hat.

Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen zählt neben den Abkömmlingen auch der längerlebende Ehegatte des Erblassers. Die Eltern des Verstorbenen sind hingegen nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Erblasser kinderlos verstorben ist. Ohne Bedeutung ist, wie lange der Ehegatte mit dem Erblasser verheiratet war; es genügt, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hat.

Höhe des Pflichtteilsanspruchs

Zur Berechnung des Pflichtteilsanspruchs müssen zwei Faktoren festgestellt werden:

  • Zunächst muss der Wert des zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses des Verstorbenen sowie bestimmte Schenkungen des Erblassers ermittelt werden.
  • Die Pflichtteilsquote des enterbten Ehegatten ist abhängig vom Güterstand, der zum Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hat und den beim Erbfall vorhandenen Verwandten des Erblassers.

Pflichtteilsquote bei Zugewinngemeinschaft

Haben die Eheleute während der Ehezeit keinen notariellen Ehevertrag geschlossen, so leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Für die Berechnung der Pflichtteilsquote muss bei einer Zugewinngemeinschaft wie folgt unterschieden werden:

Pflichtteil des völlig enterbten Ehegatten

Ein Ehegatte, der vom Erblasser völlig enterbt wurde, dem also auch testamentarisch kein Erbteil oder ein Vermächtnis zugewandt wurde, kann kraft Gesetz nur den sogenannten „kleinen“ Pflichtteil fordern. Dieser beträgt neben Erben der ersten Ordnung (also neben Kindern und Enkelkindern) 1/8. Ist der Erblasser kinderlos verstorben und sind Erben in der zweiten Ordnung (also Eltern, Geschwister oder Neffen und Nichten) vorhanden, beträgt die Pflichtteilsquote ¼. Gibt es beim Erbfall weder Erben der ersten, noch der zweiten Ordnung, so beträgt die Pflichtteilsquote des Ehegatten ½.

Expertentipp:

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München weist darauf hin, dass der enterbte Ehegatte nicht nur seinen kleinen Pflichtteil gem. § 2303 BGB fordern kann, sondern er – wie im Falle der Beendigung der Ehe durch Scheidung – auch den sogenannten Zugewinnausgleich nach den Bestimmungen der §§ 1372 – 1379 BGB geltend machen kann (§ 1371 Abs. 2 BGB). Rechnerisch ergibt sich dabei aber nur dann eine zusätzliche Forderung, wenn der Erblasser während der Ehezeit einen höheren Zugewinn erzielt hat, als der längerlebende Ehegatte. Die Ermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs ist aufwendig: Für jeden Ehegatten müssen sowohl das Anfangsvermögen bei der Heirat, als auch das Endvermögen beim Erbfall ermittelt werden.

Dieser Zugewinnausgleichsanspruch gem. § 1378 BGB stellt eine Nachlassverbindlichkeit dar, die bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs vom Wert des Nachlasses vorweg in Abzug gebracht werden muss.

Weigert sich der Erbe, die Ansprüche des enterbten Ehegatten zu erfüllen, muss dieser den Pflichtteilsanspruch ab einem Betrag von € 5.000,00 vor dem Landgericht und den Zugewinnausgleichsanspruch vor dem Familiengericht durchsetzen. Da der Prozess über den Zugewinnausgleichsanspruch „vorgreiflich“, also für die Höhe der Pflichtteilsforderung im Hinblick auf die Höhe mitbestimmend ist, wird das Landgericht dem Pflichtteilsprozess bis zur Rechtskraft des Zugewinnausgleichsprozesses aussetzen.

Pflichtteilsquote des Ehegatten, der einen testamentarischen Erbteil erhalten hat

Hat der Erblasser den überlebenden Ehegatten nicht völlig enterbt, sondern einen (kleineren) Erbteil und/oder ein Vermächtnis zugewandt, so steht ihm der sogenannte „große“ Pflichtteil zu. Diese Quote beträgt neben Erben der ersten Ordnung ¼, neben Erben der zweiten Ordnung 3/8 und neben sonstigen Verwandten ½. Zu beachten ist, dass der nicht völlig enterbte Ehegatte neben seinem „großen“ Pflichtteil kein Recht zusteht, einen etwaigen Zugewinnausgleichsanspruch geltend zu machen.

Dem Ehegatten, der einen Erbteil oder ein Vermächtnis erhalten hat und mit diesen Zuwendungen nicht einverstanden ist, stehen drei taktische Handlungsalternativen zu:

  • Er kann somit den testamentarischen Erbteil als auch ein etwaiges daneben angeordnetes Vermächtnis ausschlagen und dann gem. § 1371 Abs. 3 BGB – wie im Falle einer völligen Enterbung – neben dem „kleinen“ Pflichtteil einen Zugewinnausgleichsanspruch fordern. Diese Vorgehensweise macht vor allem dann Sinn, wenn der vorverstorbene Ehegatte einen sehr hohen Zugewinn erzielt hat und der Witwer oder die Witwe hieran einen Anteil einfordern will.
  • Der längerlebende Ehegatte kann weiter den ihm zugedachten testamentarischen Erbteil ausschlagen und ein daneben angeordnetes Vermächtnis, das für ihn zum Beispiel von besonderem Interesse ist, annehmen. Liegt dabei der Wert des angenommenen Vermächtnisses unter dem Wert des Pflichtteils, kann der Ehegatte einen sogenannten Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2307 BGB geltend machen, für dessen Berechnung die sogenannte große Pflichtteilsquote sein, kann er gem. § 2305 BGB eine Aufstockung bis zum Wert des Pflichtteils in Form des Pflichtteilsrestanspruches verlangen. Dabei muss er sich den Wert des Vermächtnisses gem. § 2307 BGB auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen.

Expertentipp:

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München gibt zu Bedenken: Wählt der enterbte Ehegatte die taktische Alternative der Ausschlagung des Erbteils, so hat er zu beachten, dass

  • die Ausschlagung innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis und
  • in öffentlich beglaubigter Form gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht erklärt werden muss.

Pflichtteilsquote bei Gütergemeinschaft

Haben die Ehegatten ehevertraglich eine sogenannte Gütergemeinschaft vereinbart, trägt die Pflichtteilsquote des enterbten Ehegatten neben Erben der ersten Ordnung 1/8, neben Erben der zweiten Ordnung 1/4 und neben sonstigen Verwandten ½. Diese Quoten entsprechen also dem „kleinen“ Pflichtteil im Rahmen der Zugewinngemeinschaft.

Bei der Gütergemeinschaft ist darauf zu achten, dass das Vermögen des Ehemannes und der Ehefrau mit der Eheschließung zum sogenannten Gesamtgut verschmolzen wurden. Vor dem Tod des Ehegatten steht dem überlebenden Ehepartner also bereits ein Anteil von 50 % an diesem Gesamtgut zu.

Pflichtteilsquote bei Gütertrennung

Haben die Eheleute ehevertraglich Gütertrennung vereinbart, so hängt die Pflichtteilsquote des überlebenden Ehegatten von der Zahl der Kinder des Erblassers ab. Die Pflichtteilsquote des enterbten Ehegatten beträgt bei einem Kind des Erblassers ½, bei zwei Kindern 1/6 und bei drei oder mehr Kindern 1/8.

Zu beachten ist, dass bei der Gütergemeinschaft und der Gütertrennung für den überlebenden Ehegatten keine taktische Handlungsalternativen (wie bei der Zugewinngemeinschaft) bestehen.

Mitgeteilt von Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München



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