nach oben

Endlich Sicherheit für das Behindertentestament!

Der Bundesgerichtshof stärkt die erbrechtliche Situation behinderter Menschen.

Der Bundesgerichtshof hatte sich in seiner Entscheidung vom 19.01.2011 (Aktenzeichen V ZR 7/10) mit der Frage zu befassen, ob ein behinderter Mensch, der Sozialleistungen bezieht, auf einen Pflichtteil verzichten kann oder dieser Verzicht sittenwidrig ist.

In einer als grundlegend einzustufenden Entscheidung bestätigt der BGH zunächst seine ständige seit 1990 bestehende Rechtsprechung, dass die Errichtung eines sogenannten Behindertentestamentes nicht sittenwidrig ist. Darin anknüpfend bestätigt er die Entscheidung der Vorinstanz des OLG Köln, Urteil vom 09.12.2009 (2 U 46/09), in der die Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilsverzichts verneint wurde. In der gleichen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof nebenbei noch mit entschieden, dass ein behinderter Sozialhilfeempfänger sogar eine bereits angefallene Erbschaft ausschlagen kann. Dies hatte das OLG Stuttgart in einer 2001 veröffentlichten Entscheidung anders gesehen und eine solche Ausschlagung für sittenwidrig erklärt.

Schließlich hat der BGH entschieden, dass ein dem Erben zustehendes Ausschlagungsrecht im Gegensatz zu einem bereits entstandenem Pflichtteilsanspruch nicht vom Sozialhilfeträger auf sich übergeleitet werden kann.

Der BGH betont bei seiner Entscheidung, dass der Nachranggrundsatz schon im Sozialhilferecht selbst gerade bei Hilfebeziehern mit Behinderungen in erheblichem Maße durchbrochen sei und daher insoweit seine Prägekraft verloren habe.

Diese weiterführende Rechtsprechung des BGH eröffnet damit weitergehende Gestaltungs-möglichkeiten im Bereich der Testamentsregelung von Eltern von behinderten Kindern. Sie eröffnet aber auch Reaktionsmöglichkeiten auf Testamentsgestaltungen, die sozialhilferechtlich zu Problemen führen können. Der BGH hat nunmehr auch ausdrücklich festgestellt, dass neben der Eigentumsgarantie zugunsten der zukünftigen Erblasser auch eine negative Erbfreiheit des Erben gegeben sei. Das heißt: das Nachhangprinzip der Sozialhilfe verpflichtet einen behinderten Hilfeempfänger gerade nicht zum Antritt einer Erbschaft. Die rechtzeitige Ausschlagung einer Erbschaft kann damit Vermögensverluste in den Fällen vermeiden, in denen entweder gesetzliche Erbfolge eingetreten ist oder keine ausreichende testamentarische Vorsorge erfolgte.

Betreuer und Betreuungsgerichte werden diese sehr weitgehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zukünftig bei der Bewertung von Testamenten und darüber hinausgehenden erbrechtlichen Regelungsabsichten berücksichtigen müssen.



← zurück