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Das Pflegeheim mittels Testament bedenken?

Das Verbot, ein Pflegeheim per Testament zu bedenken, wird vom Bundesgerichtshof geprüft

Uneinigkeit der Oberlandesgerichte!

Das OLG Karlsruhe legt dem BGH die Frage der Auslegung des § 14 I HeimG zur Entscheidung vor, weil es dabei von der Entscheidung des OLG München abweichen will. Die Auslegung des Begriffs „gewähren lassens“ in § 14 I HeimG steht dabei auf dem Prüfstand.

Der Fall des OLG Karlsruhe:

Der verwitwete Erblasser errichtete im Jahr 2006 ein Testament, in welchem er seinen schwerstbehinderten Sohn zum nichtbefreiten Vorerben und das Pflegeheim, in welchem der Sohn lebte, zum Nacherben und gleichzeitig zum Ersatzerben einsetzte. Der Erblasser verstarb Anfang 2007. Im Herbst 2007 beantragte die Betreuerin einen Erbschein für den behinderten Sohn und teilte im Januar 2008 dem Pflegeheim den Testamentsinhalt mit. Im Herbst 2008 beantragte sie die „Vollerbstellung“ des Betroffenen unter Hinweis auf die Nichtigkeit des Testaments gem. § 14 HeimG. Der Behinderte erhielt stationäre Eingliederungshilfe.

Das Nachlassgericht wies den Antrag auf Erteilung des Alleinerbscheins zurück. Die dagegen eingelegte Beschwerde zum LG blieb erfolglos, weil das Merkmal des „gewähren lassens“ gem. § 14 I HeimG nicht gegeben war. Weder Absprachen zwischen dem Erblasser und dem Pflegeheim noch dessen Kenntnis vom Testamentsinhalt zu Lebzeiten des Erblassers lagen vor. Die reine Annahme der Erbschaft durch Nichtausschlagung stelle kein "sich gewähren lassen" dar. Dieser Begriff sei eng auszulegen und nicht gegeben, wenn der Heimträger vom Heimbewohner bedacht wird, ohne zu Lebzeiten des Testierenden Kenntnis zu erlangen. Dies gelte auch, wenn der Heimträger die Zuwendung durch einen nahen Verwandten des Heimbewohners erhält, ohne dass hiervon schon zu Lebzeiten des Verwandten Kenntnis geherrscht habe. Ein Verstoß gegen den Heimfrieden war nicht erkennbar.

Die abweichende Meinung des OLG München:

Die weitere Beschwerde vermag das OLG Karlsruhe nicht zu entscheiden, und legt diese dem BGH zur Entscheidung vor. Das OLG München hatte bei der Auslegung des § 14 HeimG über ein Vermächtnis zu entscheiden, welches eine Erblasserin einem Pflegeheim ausgesetzt hatte, in welchem die Mutter der Testierenden lebte (OLG München, NJW 2006, 2642 f.). Das OLG München nimmt dort an, dass der Begriff des „sich gewähren lassens“ auch Fälle erfasst, in denen ein Dritter, z.B. ein Angehöriger des Bewohners, dem Pflegeheim etwas zuwendet. Der Schutzzweck des Gesetzes (Schutz des Heimfriedens) sei hierdurch ebenfalls berührt. Es sei unerheblich, ob die Gewährung oder Verweigerung finanzieller Vorteile durch Dritte, die dem Heimbewohner sehr nahe stehen, dessen Behandlung im Pflegeheim beeinträchtigen kann. Zwar gilt § 14 HeimG nicht, wenn der Heimträger ohne Wissen von einem Heimbewohner testamentarisch bedacht ist, allerdings sei das Gesetz genauso verletzt, wenn ein naher Angehöriger zu Gunsten der Pflegeeinrichtung letztwillig verfügt.

Die aktuelle Ansicht des OLG Karlsruhe:

Dieser weiten Auslegung des Begriffs „gewähren lassen“ schließt sich das OLG Karlsruhe nicht an und sieht sich deshalb an der Entscheidung gehindert: Ein „gewähren lassen“ bedeutet die Vorteilsannahme mit dem Willen, den Vorteil im eigenen Interesse auszunutzen, was eine Annahmeerklärung des Empfängers voraussetzt. Der Eintritt des Vermögensvorteils nach § 14 I HeimG beruht auf einem Einvernehmen zwischen dem Testierenden und dem bedachten Pflegeheim. Ein solches Einvernehmen fehlt, wenn der Heimträger von einem Heimbewohner bedacht wird, ohne dass er zu Lebzeiten des Testierenden hiervon Kenntnis erlangt (BayObLG 1992, 1143).

Ein solches Einvernehmen fehlt auch dann, wenn das Heim bzw. dessen Träger erst nach dem Tod des Erblassers vom Testament erfährt. Das Heimgesetz will nur den Bewohner schützen. Durch die weite Auslegung des Begriffs „gewähren lassen“ des OLG München wird jedoch auch in den Schutzbereich der Testierfreiheit des nicht vom Heimgesetz geschützten Dritten, dem dadurch eine freie Willensentscheidung über seine letztwillige Verfügung versagt wird, eingegriffen. Andernfalls wird eine „stille Testierung“ tatsächlich fast unmöglich, so dass der zu Gunsten des Heims testierende Dritte in der Regel immer auf den Antrag gem. § 14 VI HeimG verwiesen wäre. Dies stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erbrechtsgarantie des Dritten, zu welcher auch dessen Testierfreiheit gehört, dar und lässt das Genehmigungserfordernis nach § 14 VI HeimG als unzumutbare Belastung des testierenden Dritten erscheinen.

 

Ausblick:

Erfreulicherweise zeigt das OLG Karlsruhe in der Begründung des Vorlagebeschlusses umfassendauf, wie § 14 HeimG auszulegen ist, um dessen Gesetzeszweck am besten gerecht zu werden: Es geht vorrangig um den Schutz des Heimbewohners (Suyter ZEV 2003, 104 f.). Testiert ein naher Angehöriger des Bewohners, wäre es unverhältnismäßig, auch diesen in den Schutzbereich der Verbotsnorm mit einzubeziehen. Das stellt einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff in die Testierfreiheit und Erbrechtsgarantie des testierenden Dritten dar. Die Auslegung des OLG München ist in der Tat zu weit gefasst, so dass zu hoffen bleibt, dass sich der BGH der Rechtsansicht des OLG Karlsruhe anschließt.

Wir werden über die Grundsatzentscheidung des BGH berichten, sobald diese vorliegt.

 

Beschluss des OLG Karlsruhe vom 9.12.2010



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