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Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung als Regressfalle

§ 780 ZPO bietet dem Erben die Möglichkeit eines Vorbehaltes der beschränkten Erbenhaftung. Die Geltendmachung dieser Einrede ist im Rahmen eines erbrechtlichen Mandats Anwaltspflicht (BGH, NJW 1992, 2694), so dass vorsorglich auch bei vermeintlich positivem Nachlass diese Haftungsbeschränkung vorbehalten werden sollte.

I. Unbeschränkte, aber beschränkbare Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten
Ab Annahme der Erbschaft haftet der Erbe unbeschränkt, also nicht nur mit der Erbschaft (§ 1958 BGB), sondern auch mit seinem Eigenvermögen. Er kann aber seine Haftung auf den Nachlass beschränken, indem er
- die Anordnung der Nachlassverwaltung beantragt (§§ 1975 – 1988 BGB),
- die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt (§ 1975 BGB; §§ 315 ff. InsO), 
- die Nachlassgläubiger im Aufgebotsverfahren zur Anmeldung ihrer Forderungen auffordern lässt (§§ 1970 – 1974 BGB),
- sich darauf beruft, der Nachlass sei dürftig (§§ 1990 – 1992 BGB), oder
- als Miterbe die Einrede des ungeteilten Nachlasses erhebt (§ 2059 I BGB).

II. Haftungsbeschränkung im Erkenntnisverfahren
Eine Beschränkung der Erbenhaftung i.S. des § 780 ZPO wird im Prozess nicht von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur auf eine Einrede des Erben hin (§ 781 ZPO). Fehlt ein Ausspruch des Vorbehalts im Urteilstenor, kann im Falle einer rechtskräftig gewordenen Entscheidung dieser Vorbehalt nicht mehr nachgeholt werden. Es tritt also automatisch eine unbeschränkte Haftung ein. Der Haftungsvorbehalt ist auch in urteilsgleiche Titel aufzunehmen, also auch in einen Prozessvergleich (Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, 2002, Rdnr. 409).

Der Erbe muss die Einrede grundsätzlich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren vorbringen. Ob er ausschließlich ein Berufungsverfahren mit dem Ziel führen kann, den Vorbehalt noch in das Urteil aufnehmen zu lassen, ist unter den Einschränkungen der Zivilprozessreform zu neuem Vorbringen zweifelhaft. Ist der Vorbehalt zwar erhoben, jedoch vom Gericht übersehen worden, kommt eine Urteilsergänzung gem. § 321 ZPO in Betracht.

III. Reaktion des Klägers auf die Haftungsbeschränkungseinrede
Hat der Beklagte die Einrede der beschränkten Erbenhaftung erhoben, kann der Kläger eine Verurteilung ohne Vorbehalt nur verhindern, indem er darlegt, der Erbe hafte unbeschränkbar. Dazu kann er beispielsweise vortragen, dass der Erbe eine gesetzliche Inventarfrist schuldhaft versäumt oder ihm gegenüber die eidesstattliche Versicherung verweigert hat, wegen Inventaruntreue haftet oder rechtsgeschäftlich auf eine Haftungsbeschränkung ihm gegenüber verzichtet hat. Erkennt der klagende Nachlassgläubiger die als solche unstreitige Haftungsbeschränkung an, sollte er aus Kostengründen seinen Antrag dahingehend umstellen, dass nur noch Vollstreckung in den Nachlass verlangt wird. 

IV. Haftungsbeschränkung im Vollstreckungsverfahren
Will der Erbe die Vollstreckung aus einem im Erkenntnisverfahren ergangenen Titel verhindern, muss er sich durch eine Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 785, 767 ZPO gegen die Maßnahme des Nachlassgläubigers verteidigen, sofern dieser in Gegenstände vollstreckt, die zum Eigenvermögen des Erben gehören und deshalb nicht der Haftung unterliegen. Der Antrag ist darauf zu richten, die Zwangsvollstreckung auf Grund des Urteils … (genaue Bezeichnung) in … (genaue Bezeichnung des Vollstreckungsgegenstands) für unzulässig zu erklären (Muster bei Klinger/Joachim, Münchener Prozessformularbuch Erbrecht, Form. S.I.6). Es sollte immer ein ergänzender Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 769 ZPO gestellt werden. Im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage kann der beklagte Nachlassgläubiger nicht mehr geltend machen, der Erbe hafte ihm gegenüber unbeschränkt, wenn er diesen Einwand bereits im Erkenntnisverfahren hätte vorbringen können. Obsiegt der Erbe mit der Vollstreckungsgegenklage, berührt das die Vollstreckungsmaßnahmen zunächst nicht. Er muss bei dem Vollstreckungsorgan unter Beifügung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils einen entsprechenden Antrag stellen. Das Vollstreckungsorgan hebt dann gem. §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO die Maßnahme ausdrücklich auf.

V. Fazit
Um allen Regressrisiken aus dem Wege zu gehen, sollte der Anwalt den Haftungsbeschränkungsvorbehalt vorsorglich immer – zumindest hilfsweise – geltend machen, selbst wenn zum Zeitpunkt des Prozesses der Nachlass ausreichend erscheint, um alle Gläubiger zu befriedigen. So können beispielsweise nachträgliche Änderungen wie ein Kursverfall bei Aktien, Wertminderungen oder ein Auftauchen unbekannter Forderungen dazu führen, dass der Nachlass nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens dürftig wird.



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