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Fristbeginn bei Anfechtung der Erbausschlagung eines nachrangigen Erben

Der berufene Ersatzerbe darf die Frage der Anfech-tung einer Erbschaftsannahme oder -ausschlagung nicht von der Anfechtung anderer, weggefallener Erben abhängig machen; ansonsten droht der Verlust der eigenen Anfechtungsmöglichkeit.

Die Tochter der Erblasserin hatte als gesetzliche Alleinerbin die Ausschlagung der Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses erklärt. Kurz darauf schlug auch ihr Sohn als Ersatzerbe aus. 3 Jahre später erfuhr die Tochter von einem Schweizer Erbenermittler, dass zum Nachlass ein Bankguthaben von ca. 100.000 DM gehört und teilte dies ihrem Sohn Ende Februar 2000 mit. Dieser beantragte am 13.3.2000 beim Notar einen Erbschein als gesetzlicher Alleinerbe und erklärte die Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung. Der Notar reichte diese Erklärungen erst am 26.4.2000 beim Nachlassgericht ein.

Das Kammergericht hat sich zunächst der gefestigten Rspr. (BGH, NJW 1989, 2885) angeschlossen, wonach ein Irrtum über die Zugehörigkeit von Rechten oder Verbindlichkeiten zum Nachlass zur Anfechtung einer Erbausschlagung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses (§ 119 II BGB) berechtigen kann, wenn er zur Vorstellung einer tatsächlich nicht bestehenden Überschuldung führt.

Für den Beginn der 6-Wochenfrist des § 1954 II 1 BGB ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Sohn zuverlässige Kenntnis von den seinen Eigenschaftsirrtum begründenden Tatsachen erlangt. Es entspricht allg.M. (Palandt/Edenhofer, § 1954 Rdnr. 5 m.w.N.), dass hierfür bloßes Kennenmüssen oder Verdachtsmomente nicht genügen, eine volle Überzeugung vom Bestehen des Anfechtungsgrundes dagegen nicht erforderlich ist. 

Haben mehrere Erben nacheinander die Erbschaft ausgeschlagen, beginnt nach Ansicht des Kammergerichts die Anfechtungsfrist für den nachrangigen Sohn nicht erst mit Kenntnis davon, dass seine Mutter als vorrangige Erbin von ihrem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, sondern bereits Ende Februar 2000 mit Kenntniserlangung von der Zugehörigkeit des Bankguthabens zum Nachlass. Der Erbscheinsantrag des Sohnes war deshalb zurückzuweisen, da die Anfechtungserklärung dem Nachlassgericht erst am 26.4.2000 zuging.

Praxishinweis: Bei Bekanntwerden eines möglichen Anfechtungsgrundes muss innerhalb von 6 Wochen an-gefochten werden, selbst auf das Risiko hin, dass die hierfür anfallenden Gebühren (§§ 38 III, 45, 112 KostO) vergeblich aufgewendet werden. Die fristgerechte Abwicklung durch den Notar sollte überprüft werden.

(Kammergericht, Beschluss vom 16.3.2004 – 1 W 120/01 = NJW-RR 2004, 941)



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