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Rechtsschutzfall bei Streit der Erben um Testierfähigkeit

§ 14 III 1 ARB 75 will verhindern, dass jemand noch schnell eine Rechtsschutzversicherung abschließt, um die Kosten des etwaigen Rechtskonflikts auf die Versichertengemeinschaft abzuwälzen. Nach Ansicht des Kammergerichts (Urteil vom 21.3.2003 – 6 U 2/02 = ZEV 2004, 337) ist diese Bestimmung deshalb versichererfreundlich auszulegen.

Die Klägerin wurde von ihrem Vater mit notariellem Testament vom 3.9.1999 als Vorerbin bzgl. 2/3 des Nachlasses eingesetzt; im Übrigen wurden Verwandte als Erben und Nacherben bestimmt. Der streitgegenständliche Rechtsschutzversicherungsvertrag wurde von der Klägerin mit vereinbartem Beginn 29.9.1999 abgeschlossen. Nach dem Tode ihres Vaters beantragte sie einen Erbschein als gesetzliche Alleinerbin, da ihr Vater testierunfähig gewesen sei. Die Klägerin fordert vom Rechtsschutzversicherer Kostenvorschuss für das Erbscheinsverfahren, da der Notar wegen der Testierunfähigkeit gem. § 11 BeurkG nicht hätte beurkunden dürfen und die Verwandten sich zudem weigerten, die Unwirksamkeit des Testaments hinzunehmen. Der Versicherer verneinte seine Eintrittspflicht, da die Errichtung des Testaments vor Versicherungsbeginn liege.

Das Landgericht hat dem folgend die Klage auf Feststellung der Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung abgewiesen. Auf eine Weigerung der testamentarisch berufenen Erben nach Versicherungsbeginn komme es nicht an, weil andernfalls ein durch ein Testament Benachteiligter noch eine Rechtsschutzversicherung abschließen und Versicherungsschutz erlangen könne.

Das Kammergericht legt zunächst § 14 III 1 ARB 75 versichererfreundlich aus und bejaht nur dann einen Rechtsschutzfall, wenn das Handeln von der Rechtsordnung „missbilligt“ wird. Die Testamentserrichtung stellt danach keinen Verstoß i.S. der Rechtsschutzversicherungsbedingungen dar, da § 2229 IV BGB den Testierenden vor Verfügungen schützen will, deren Tragweite er nicht mehr erkennt; ein Unwerturteil enthält diese Regelung aber nicht.

§ 11 I BeurkG missbilligt zwar, dass ein Notar beurkundet, obwohl er die Testierunfähigkeit kennt. Im anhängigen Verfahren war aber nicht ersichtlich, dass der Notar gegen seine in der Testamentsverhandlung gewonnene und in der Urkunde vermerkte Überzeugung von der Geschäftsfähigkeit gehandelt hätte.

Das Kammergericht sieht aber einen „Verstoß“ i. S. des § 14 III 1 ARB 75 in der Weigerung der Erben, die Unwirksamkeit des Testamentes wegen Testierunfähigkeit hinzunehmen. Das Bestehen eines unwirksamen Testamentes wird von der Rechtsordnung missbilligt und trägt die Gefahr eines Rechtskonflikts in sich. Da dieser Versicherungsfall erst nach Beginn der Versicherungsschutzzeit eingetreten ist, hat das Gericht der Klage stattgegeben.

Praxishinweis: Seit 1994 können RS-Versicherer unternehmenseigene ARB verwenden, die nicht mehr durch das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen genehmigt werden müssen. Da sich der RS-Vertrag nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verwendeten ARB richtet, hat der Berater zu prüfen, welche Geschäftsbedingungen mit dem Versicherungsnehmer vereinbart wurden. Die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz sind in den ARB 54, 69, 75, 94 und 2000 sehr unterschiedlich geregelt (ausführlich hierzu Ruby/Klinger, Die Rechtsschutzversicherung im erbrechtlichen Mandat, ZEV 2004, 320).

(Quelle: NJW-Spezial Heft 5/2004)



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